Gemeinsam in die Zukunft
Wie digitale Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch Fortschritt im Handwerk schafft
Wie digitale Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch Fortschritt im Handwerk schafft
Die Digitalisierung in der Baubranche ist, je nach Unternehmensgröße und -art, verschieden weit fortgeschritten. Wenn es um die Implementierung und Entwicklung von digitalen Lösungen geht, die den Wandel vorantreiben sollen, liegt das Augenmerk - auch bei Tenera - auf den Generalunternehmern. Welche Herausforderungen haben diese zu bewältigen und wo können digitale Lösungen ansetzen, um Prozesse zu verbessern?
Doch Bauprojekte hören nicht beim Projektentwickler auf – sie fangen dort erst an. Bauunternehmen können noch so digitalisiert sein, die erfolgreiche Umsetzung gelingt nur zusammen mit den ausführenden Handwerksbetrieben. In diesem Beitrag wird der Stand der Digitalisierung im Handwerk beleuchtet, aufgezeigt, welchen weiteren Herausforderungen es als Handwerksbetrieb zu begegnen gilt und demonstriert, wie Erfahrungsaustausch im Handwerk den Fortschritt der gesamten Branche unterstützen können.
Dass das Kerngeschäft des Handwerks wenig Möglichkeiten zur Digitalisierung bietet, ist selbsterklärend – im Zentrum steht immer die Umsetzung auf der Baustelle. Studien von Bitkom und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks sowie der Digitalisierungsindex Mittelstand 2021/2022 zeigen zwar, dass unter deutschen Handwerksbetrieben die Bereitschaft zu mehr Digitalisierung besteht: 83 Prozent der befragten Unternehmen der Studie vom ZDH und Bitkom gaben an, dass sie aufgeschlossen für Digitalisierung seien, 77 Prozent sähen in ihr eine konkrete Chance für den eigenen Betrieb. Aber, auch Pandemie bedingt, sind Fortschritte eher im Bereich des standortunabhängigen Arbeitens zu verzeichnen, sprich verbesserte Ausstattung des Home-Office sowie Einführung von Möglichkeiten für virtuelle Meetings und online Zugriff auf Dokumente. Diese Entwicklung bildet die Grundlage, um die Verwaltung im Büro und die Arbeit auf der Baustelle digital zu verzahnen: Knapp ein Drittel der befragten Betriebe in der Studie von ZDH und Bitkom gaben an, dass sie aktuell oder in Zukunft auch vermehrt mit Projektmanagement-Lösungen arbeiten wollen, um in Echtzeit Fortschritte innerhalb von Projekten verfolgen zu können.
Dennoch kann das Handwerk dem gewünschten und notwendigen Fortschritt noch nicht vollends Rechnung tragen – zwei Drittel der von Bitkom befragten Unternehmen suchen nach Unterstützung bei der Digitalisierung. Auch, weil die Digitalisierung nicht die einzige Herausforderung ist, der sich Handwerksbetriebe heute stellen müssen, um ihren Erfolg auch in Zukunft zu sichern.
An Aufträgen mangelt es in der Branche nicht, doch stetiges Geschäft allein bedeutet nicht unbedingt zukunftsfähige Weiterentwicklung. Neben dem chronischen Fachkräftemangel muss auch der gerade akuten Rohstoffknappheit begegnet werden. So kommt der digitale Fortschritt nur langsam in Gang. Besonders im stressigen Arbeitsalltag den Überblick über laufende Projekte zu behalten, ist schwierig. Hier können digitale Helfer, wie Zeiterfassungstools, entlasten. Die Nutzung von digitalen Lösungen zur Finanzbuchhaltung ist von Seiten der Gesetzgeber sogar vorgeschrieben. Doch wird die Einführung solcher Software häufig abgelehnt. Oft fehlt der Überblick über angebotene Lösungen oder diese werden als zu komplex und daher ungeeignet angesehen. Vielen Handwerksunternehmen ist auch nicht bewusst, dass es staatliche Fördermittel gibt, die Digitalisierungsmaßnahmen unterstützen. Ist das Bewusstsein dafür doch vorhanden, schreckt der erwartete bürokratische Aufwand dahinter dennoch ab, diese Möglichkeiten zu nutzen.
Auch die direkte Arbeit mit den Kund:innen verändert sich durch den Einfluss des Digitalen und fordert Handwerksbetriebe sich anzupassen: Kund:innen, die im Informationszeitalter online Recherche betreiben, bevor sie Handwerksunternehmen beauftragen, sind bereits gang und gäbe. Sie erwarten direkt und unkompliziert über digitale Kanäle in Kontakt mit den Betrieben treten zu können. Daneben sind Online einzusehende Referenzen maßgebliche Entscheidungshilfen für die Kund:innen, um sich vor der Beauftragung ein Bild vom zu erwartenden Ergebnis zu machen. Das erhöht für Handwerksbetriebe den Druck zu digitalisieren und insbesondere einen ansprechenden Onlineauftritt zu bieten. Wer nicht präsent ist oder von Suchmaschinen nicht weit genug oben gelistet wird, wird schnell in der Recherche nicht berücksichtigt.
All diese Herausforderungen sind branchenweit die gleichen und der Umgang damit hängt stark von den Menschen in den Betrieben ab. Dabei bleibt die Frage, die sich alle Betriebe stellen die gleich: Wie können wir diesen Herausforderungen begegnen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein?
Eine Antwort auf diese Frage liefert Volker Geyer, Geschäftsführer von Malerische Wohnideen. Mit überlegten Online-Marketingmaßnahmen verschaffte er seinem auf Gestaltungen spezialisierten Malerbetrieb gezielte Interesse potenzieller Kundengruppen. Als er damit für seine Marke so viel Aufmerksamkeit generiert hatte, dass Anfragen für seine Arbeit aus ganz Deutschland kamen, entschied er sich dafür, ein Partnernetzwerk aufzubauen. Den Zugang zur neu erschlossenen Kundengruppe teilte er mit Betrieben aus anderen Regionen. Mittlerweile arbeiten gestaltungsorientierte Malerbetriebe aus dem gesamten deutschsprachigen Raum im Partnernetzwerk “Malerische Wohnideen” zusammen.
Die nahezu 50 Malerbetriebe des Netzwerks “Malerische Wohnideen” profitieren dabei nicht nur von der Gewinnung interessanter Kund:innen und Aufträge und exklusiven Produktpartnerschaften verschiedener Nischenanbieter. Durch die gleichen Themen, auch in der Betriebsführung, entstand von ganz allein ein wertvoller Erfahrungsaustausch, beschreibt Volker Geyer:
“Es hat sich ganz natürlich ergeben, dadurch, dass alle Partnerbetriebe Tag für Tag mit den gleichen Themen und mit den gleichen Problemen zu tun haben. Wie macht Ihr das? … ist zu einer nahezu täglichen Frage in unseren Chats geworden. Innerhalb kürzester Zeit bekommt der Fragende zahlreiche kompetente Antworten. Auf dieser Basis tauschen wir gezielt unser Praxiswissen aus. Das ist etwas ganz Besonderes, weil man es sich nicht einfach irgendwo hinzukaufen kann.“
Um die Kenntnisse, die hierbei ausgetauscht werden, nachhaltig festzuhalten und allen Partnerbetrieben dauerhaft zugänglich zu machen, bedarf es ein durch dachtes Konzept. Volker Geyer erklärt, wie es bei “Malerische Wohnideen” ablief:
“Ich fing an, zu überlegen: wie können wir diesen Wissenstransfer erfassen, strukturieren und so festhalten, dass jeder Partner zu jeder Zeit auf den Erfahrungsaustausch zugreifen kann? Dazu haben wir eine interne Online-Datenbank aufgebaut, worin wir alle Informationen strukturiert hinterlegen. Diese Datenbank wird von Tag zu Tag umfangreicher und somit wertvoller für alle Partnerbetriebe.”
So entstehen Leitfäden für die Partnerbetriebe als Repertoire an wertvollem Wissen und Erfahrung zu fachlichen aber auch unternehmerischen Fragestellungen. Diese sorgen dafür, dass aus den Fehlern und Erfahrungen anderer gelernt wird. Der Wissensaustausch zwischen Betrieben und die Nutzung digitaler Tools dafür schaffen hier zusammengenommen eine Grundlage, um Betriebe zukunftsweisend ausrichten zu können. Diese zukunftssichere Ausrichtung heute als einzelner Betrieb zu leisten ist herausfordernder denn je. Die steigende Komplexität im Handwerk bringt andere Anforderungen an die Betriebe mit als früher. Dadurch wird es schwieriger, diese gewinnbringend zu führen, weiß auch Volker Geyer:
“Aus meiner Sicht ist es heutzutage eine große Herausforderung, einen Handwerksbetrieb zukunftsorientiert, mit Erfolg und entsprechendem Gewinn zu führen. In den vergangenen Jahren sind in nahezu allen Bereichen die Anforderungen zum Teil erheblich gestiegen. Heute müssen Betriebe absolute Experten auf ihrem Gebiet sein, sie benötigen eine intelligente Positionierung mit zielgerichtetem Marketing, sie benötigen durchdachte innere Strukturen und Abläufe und natürlich die passenden Mitarbeiter.”
In einem Vertrauensverbund mit Gleichgesinnten kann sich ein Handwerksunternehmen umsehen nach Antworten auf Fragen, nach Lösungen und Strategien, die für die Anliegen und Bedürfnisse passen. Durch gezielten Austausch tragen die bereits gemachten Erfahrungen anderer erheblich zur Fehlerminimierung bei neuen Vorhaben und Projekten bei. Das spart am Ende Zeit, Geld und minimiert Reibungsverluste.
Wird wertvolles Fachwissen von einem Betrieb in eine Gruppe weitergegeben, erhöht das die zukünftige Marktfähigkeit aller anderen Betriebe. Ohne diesen Wissenstransfer fehlen vielen Betrieben die Anstöße. Die strategische Planung zur Unternehmensentwicklung geht in der Hektik des täglichen Geschäfts oft unter, das erschwert den notwendigen Wandel – gerade in der Digitalisierung.
Im Gespräch mit Betrieben, die schon neue Ansätze ausprobiert haben, kann herausgefunden werden, welche Fehler man vermeiden sollte und worauf man selbst achten muss. Gerade im Bezug auf fachliche Ausführung zu spezialisierten Kundenanfragen kann dieser Wissensvorteil hohe Kosten sparen – ein sicherlich guter Grund für einen Unternehmer, sich mit Wandel zu beschäftigen. Doch gerade im Handwerk fehlt häufig die Begeisterung, um sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen – Volker Geyer sieht es kritisch:
“Der Treiber der Digitalisierung im Handwerk ist bei vielen die Notwendigkeit. Es ist weniger die Begeisterung oder die Neugier, es fehlt die Leidenschaft. Daran müssen Handwerksunternehmen arbeiten.”
Auch hier kann sich der Austausch mit anderen Betrieben als besonders wertvoll erweisen. Nahezu in jedem Netzwerk finden sich Betriebe als Vorbilder, die wiederum andere inspirieren. So entsteht Ansporn und Leidenschaft für Wandel und Fortschritt. Die Entwicklung als Unternehmer:in und die des eigenen Betriebs kann damit zielgerichtet und selbstbestimmt stattfinden, anstatt als notwendige Reaktion auf Druck von außen. Mit dieser Einstellung und der Bereitschaft selbst einen Beitrag zu leisten, kann das volle Potenzial eines Netzwerks ausgenutzt werden:
“Alle müssen sich entwickeln wollen, sich verändern wollen. Wenn in einem funktionierenden Netzwerk jede und jeder immer wieder einen wertvollen Beitrag einbringt, ist das Potenzial für alle enorm.”
Ist diese Einstellung gegeben, bietet der Zusammenschluss und Austausch mit anderen Betrieben die Chance, das eigene Unternehmen auf effektive Weise und mit geringem individuellen Risiko auf Kurs in Richtung erfolgreiche Zukunft einzustellen.
Noch sind Konkurrenzdenken und Undurchsichtigkeit in der Branche verbreitet und stehen so einem fruchtbaren Erfahrungsaustausch im Weg. Auch in der Ausbildung nachkommender Generationen wird Zusammenarbeit und Netzwerken nicht ausreichend vermittelt. Doch dass es in Zukunft mehr um Teamarbeit gehen wird, da ist sich Volker Geyer sicher:
“Die nächste Generation kommt nach und damit bekommt auch die Digitalisierung im Handwerk einen anderen Stellenwert. Digitalisierung bedeutet Vernetzung nicht nur von Daten, auch von Menschen. Für mich bringt das viele Chancen mit sich. Gleichgesinnte finden sich, bilden Gruppen, tauschen sich aus und es bilden sich neue Netzwerke. Einzelkämpfer werden es künftig in den Märkten immer schwerer haben, nicht nur im Handwerk. Gemeinsam statt einsam ist die Devise der Zukunft.”
Der Handwerks Nachwuchs zeigt, dass der Austausch untereinander einfach und unkompliziert stattfinden kann. Insbesondere soziale Medien wie Facebook, LinkedIn oder Xing bieten verschiedene Gruppen, in denen Erfahrungen und Wissen geteilt wird – und somit jedem interessierten Betrieb einen Rahmen zum Austausch und damit einen Anfang zum Fortschritt. In moderierten Netzwerken wie “Malerische Wohnideen” kann auf diesem ersten Austausch dann aufgebaut werden, Themen können vertieft besprochen werden, der Wissenstransfer kann auf Detailebene als Dialog stattfinden – und die Weichen für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung können gestellt werden.
Der Artikel zeigt, dass Drang und Wunsch nach Digitalisierung im Handwerk bestehen, dabei besonders der Zusammenschluss und Austausch mit anderen Betrieben eine Chance bietet, den Herausforderungen der Branche zu begegnen und das Handwerk in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Das Kerngeschäft des Handwerks wird sich auch in Zukunft nicht verändern, doch können verschiedene Technologien die alltägliche Arbeit erleichtern und dabei helfen, Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel und den veränderten Kundenansprüchen entgegenzuwirken. Die Digitalisierung kann dabei als Möglich-Macher gesehen werden, um als Handwerksbetrieb den Fokus auf der Arbeit mit den Kund:innen zu belassen. So resümiert auch Volker Geyer:
“Trotz all dieser Digitalisierung, trotz aller Zukunft, die da kommen wird, wird im Handwerk auch in zehn Jahren noch nach wie vor der Mensch im Mittelpunkt stehen.”
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