Digitale Zusammenarbeit und mehr Nachhaltigkeit in der Baubranche - die vernetzte Wertschöpfungskette
Caroline Sturm teilt mit uns ihre Erfahrungen zur Automatisierung von Prozessen entlang der Wertschöpfungskette für mehr Nachhaltigkeit
Caroline Sturm teilt mit uns ihre Erfahrungen zur Automatisierung von Prozessen entlang der Wertschöpfungskette für mehr Nachhaltigkeit
Die wertschöpfungsübergreifende Vernetzung sollte ein zentrales Anliegen der Branche sein. Diese Meinung vertritt Caroline (Charly) Sturm, die im April von der CG Elementum AG als Geschäftsführerin in die REHUB FORGE GmbH wechselt und stellvertretende Vorsitzende des PropTech Powerhouse e.V. ist. Seit fünf Jahren transformiert die Digitalisierungsexpertin die Baubranche mit Fokus auf Planungs- und Bauprozesse. Im Interview mit uns geht Frau Sturm auf die intelligente Vernetzung der Wertschöpfungskette, vor allem in Verbindung mit digitalen Lösungen wie der automatisierten Planung mit generativem Design ein. Generatives Design ist ein technologisiertes Verfahren zur Erstellung von Entwürfen, welche ein Computer anhand von groben Zielvorgaben und Abhängigkeiten berechnet. Erfahren Sie außerdem, wie sich mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in der Branche erreichen lässt und welche Rolle dabei der Plattformökonomie und Startups zukommt.
Initiativen wie PropTech Powerhouse e.V., der letztes Jahr gegründet wurde, zeigen, dass es bei der digitalen Transformation von Bau, Planungs-, und Betriebsprozessen vor allen Dingen auf eine
Ende-zu-Ende-Betrachtung ankommt, um digitale und nachhaltige Immobilien im deutschen Markt voranzutreiben. Diese Betrachtung umfasst zum Beispiel sowohl die erste, initiale Planung, als auch das Fertigteil, was auf die Baustelle geliefert wird sowie die Nutzungsphase von Immobilien.
Warum ist diese Betrachtungsweise so wichtig? Dies wird deutlich, wenn man die verschiedenen Problemschwerpunkte der Baubranche betrachtet. Zunächst wären Herausforderungen wie der Wohnungsmangel zu nennen, kombiniert mit einem enormen Sanierungsbedarf der bestehenden Bausubstanz in Deutschland und dem Ziel die durch die Bau- und Immobilienbranche verursachten CO2 Emissionen herunterzuschrauben. Hinzu kommt der häufig thematisierte Nach- und Aufholbedarf der Branche bei der Digitalisierung und der immer größer werdende Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund sieht Frau Sturm allen voran Geschwindigkeit als entscheidenden Faktor bei der Bewältigung der genannten Herausforderungen, denn nachhaltige und „digitale“ Gebäude werden jetzt und nicht erst in zehn Jahren gebraucht. Der PropTech Powerhouse e.V. unterstreicht diesen Aspekt mit dem Motto „Greener. Smarter. Now“. Aber wie genau kann eine Vernetzung von Akteuren entlang der Wertschöpfungskette dabei helfen diese Herausforderungen zu überwinden?
Obwohl ein erfolgreich durchgeführtes Bauprojekt auch von einem reibungslosen Zusammenspiel verschiedenster Akteure abhängt, wird die Teamarbeit in der Baubranche noch viel zu selten praktiziert. Auch Frau Sturm und der PropTech Powerhouse e.V. greifen dieses Problem auf: Um eine gemeinschaftliche Arbeitsweise als einen Schlüssel zum Erfolg nutzen zu können und eine Zusammenarbeit von Akteuren in Zukunft zu fördern, treibt der Verein die Vernetzung von Akteuren der Bau- und Immobilienwirtschaft voran. Gemeint sind dabei sowohl Startups als auch Projektentwickler:innen sowie Gebäude- oder Bestandshalter:innen, die Mitglieder unter dem Dach eines Vereinsnetzwerkes sind. Es wird vor allem der Wissenstransfer dieser Akteure untereinander, sowie die Entwicklung und Umsetzung von praxistauglichen Lösungen gefördert, losgelöst von
Akquise-Absichten und Konkurrenzdruck.
Aus dieser Vereinsaktivität lässt sich eine grundlegende Herangehensweise für die Branche ableiten: Um eine wertschöpfungsübergreifende Vernetzung zu erreichen, müssen gemeinsame Grundlagen für die neuen Themen der Bau- und Immobilienbranche geschaffen werden. Im Verein wird dies über Pilotprojekte gemeinsam erarbeitet, da Innovationsarbeit in der Regel sehr zeit- und ressourcenintensiv für einzelne Firmen alleine ist. Um in diesem Rahmen also Pilotprojekte, z.B. zu den Themen Energie, Klima und Umwelt, planen und durchführen zu können, sollten von allen beteiligten Akteuren grundlegende Fragestellungen beantwortet werden:
Solange diese Grundlage nicht geschaffen wird, kann es keine Kollaboration entlang der Wertschöpfungskette geben. Warum dieser Prozess aber so wichtig ist und welche Vorteile sich durch eine Vernetzung und Kollaboration für alle Akteure ergeben können, wird bei einer genaueren Betrachtung der Herausforderungen bei der Planung und Entwicklung, also dem Beginn der Wertschöpfungskette, deutlich.
Gerade bei der Planung von Bauvorhaben lässt sich das Grundproblem einer fehlenden Vernetzung erkennen: Die Fragmentierung der Branche hat viele unterschiedliche Planungsprozesse zur Folge, die bereits in den frühen Phasen von Bauprojekten durchdacht werden müssen, um eine durchgängige Vernetzung zu ermöglichen. Architekt:innen sowie Planer:innen stehen heute vor der Herausforderung, viele Informationen zu berücksichtigen, die erst später auf der Baustelle oder an anderer Stelle entlang der Wertschöpfungskette benötigt und genutzt werden könnten. Der Wert dieser Informationen wird somit auch erst später sichtbar. Das Problem, das dabei besteht, formuliert Frau Sturm folgendermaßen:
„Wie soll z.B. der Architekt oder die Architektin bei der Projektplanung schon wissen, wie der Materialpass in der Dokumentation aussieht, der von den Subunternehmern genutzt wird? Diese Informationen müssen idealerweise von Anfang an verfügbar sein, um Komplikationen zu minimieren. Das tun sie aber oft noch nicht. Es mangelt an Standards.“
In diesem Zusammenhang verweist sie auch auf einen Paradigmenwechsel hin zu Building Information Modeling (BIM) und hebt hervor, dass auch BIM als gemeinsamer Standard den Weg zu einer besseren Verbindung von Akteuren ebnen kann. Des Weiteren kann der Aufbau von genormten Datenbanken,
auf die alle Akteure gemeinsam Zugriff haben, eine Vernetzung vorantreiben.
Durch eine intelligente Verknüpfung der Wertschöpfungskette, vor allem in Verbindung mit digitalen Lösungen, lassen sich noch weitere Erleichterungen für die Planung erreichen. Wenn es bspw. um die Nachhaltigkeit verschiedener Materialien geht, wäre der Aufwand, diese Informationen manuell zu erfassen, unverhältnismäßig groß. Hier bietet sich der Vergleich von verschiedenen Varianten eines Gebäudes und die nahtlose Bewertung dieser Varianten nach unterschiedlichen Faktoren wie dem Grundriss, der CO₂-Bilanz, Brandschutzmaßnahmen, eingeplanten Materialien oder auch dem Vergleich von verschiedenen Energiesystemen an. Dieser Prozess kann auch durch Algorithmen (teil-)automatisiert werden. Selbst Bei der Abbildung mit Computer-aided design (CAD) stößt man durch den manuellen Aufwand dabei schnell an seine Grenzen. Mit automatisierten “generative Design”, kann man hingegen innerhalb weniger Minuten gleich mehrere Varianten auf einmal erzeugen und verschiedene Szenarien miteinander vergleichen, oder bestehende Pläne auf Optimierungen überprüfen. Versieht man dann einzelne Baukomponenten mit den notwendigen Attributen für spätere Ausschreibungen, Einkauf und Logistik, so sorgt die Technologie für eine enorme Arbeitsersparnis. Auch wenn dieser Prozess einer intelligenten Vernetzung auf den ersten Blick komplex erscheint, kommen dank ausgeklügelter Programmierarbeit Endanwendungen zustande, die intuitiv zu bedienen sind. Das Potenzial, das dieser Ansatz bietet, ist enorm. Dies zeigt ein Praxisbeispiel aus der Projektarbeit von Frau Sturm: die automatisierte Planung.
Auf Basis der Erfahrungen, die Frau Sturm mit der automatisierten Planung gemacht hat, beschreibt sie eine grundlegende Anforderung an Softwarelösungen, die in diesem Bereich in der frühen Planungsphase vermehrt Einsatz finden:
„In Deutschland ist jedes Baugrundstück anders und jedes Projekt hat seine ganz individuellen Voraussetzungen und Herausforderungen, daher kann es auch keine „one-size-fits-all“-Lösung für die Planung geben, vielmehr braucht es intelligente Softwarelösungen, den Ansatz des generativen Designs verwenden.”
Damit ist unter anderem gemeint, dass Grundstücke, jedenfalls in Europa, in der Regel nicht „am Reißbrett“ entstanden sind und Softwarelösungen dieser Individualität gerecht werden müssen. Der modulare Ansatz, den viele zur Beschleunigung von Planung und Bau verwenden wollen, nutzt Grundstücke oft nicht optimal aus, was angesichts knapper Grundstücke und steigender Grundstückspreise unwirtschaftlich ist.
Durch eine gemeinschaftliche Nutzung digitaler Werkzeuge wie der automatisierten Planung können noch weitere Vorteile und Synergien entstehen, die eine Vernetzung vorantreiben. Digitale Lösungen ermöglichen es, auf verschiedene, für ein Projekt relevante Kennzahlen per Knopfdruck zugreifen zu können. Von dieser direkt verfügbaren und einheitlichen Datengrundlage wiederum können alle an einem Bauwerk beteiligten Akteure profitieren, von der Finanzierungsabteilung bis hin zur Vermarktung. Ganzheitlich gesehen lassen sich durch solche Lösungen sowohl Zeit als auch Geld sparen, sowie nachhaltiges Bauen abbilden und gezielt fördern.
Mit der gemeinsamen Nutzung von digitalen Lösungen könnten sich auch große Feedbackschleifen und lange Wartezeiten vermeiden lassen, da die Arbeit z.B. an einem Modell erfolgt, das allen Akteuren zur Verfügung steht. An dieser Stelle ist laut Frau Sturm auch eine Abkehr von der baubegleitenden Planung möglich, da von Anfang an bereits mit den besten Ergebnissen gearbeitet wird und sich alle über das Endprodukt im Klaren sind:
„Bei der baubegleitenden Planung muss ein Umdenken stattfinden, d.h. diese Art der Planung sollte es eigentlich nicht mehr geben. Wenn ein digitaler Zwilling fertig ist, ist er fertig. Dann geht er in die Produktion. Dann haben wir ein Design-Freeze, und dann muss das Projekt umgesetzt werden.“
Mit Blick auf mögliche Vorteile einer gemeinschaftlichen Nutzung von digitalen Werkzeugen wie der automatisierten Planung, ist auch Transparenz ein wichtiger Aspekt.
Zu den eingangs beschriebenen Problemen entlang der Wertschöpfungskette im Bau lässt sich auch eine bisher noch sehr geringe Transparenz zählen, die unweigerlich mit dem vorherrschenden Konkurrenzdenken, unklaren Kommunikationsstrukturen und sich kurzfristig ändernden Entscheidungen einhergehen, angefangen bei der Auftraggeberschaft bis hin zu den Endkunden. Meinungsverschiedenheiten entlang der Wertschöpfungskette sind oft die Folge einer fehlenden Informationsgrundlage im Projekt. Genau hier kann die wertschöpfungsübergreifende Vernetzung der Akteure, etwa mit digitalen Werkzeugen, ansetzen. Für die Einführung solcher Werkzeuge ist es jedoch ratsam, Workshops durchzuführen, das bestätigen auch Frau Sturms Erfahrungswerte bei der automatisierten Planung.
Für die Arbeit mit digitalen Werkzeugen sind also nicht nur eine einheitliche Datenbasis und konsistente Kennzahlen essenziell. Es lässt sich auch eine weitere Anforderung an andere digitale Werkzeuge ableiten. Um Pläne so kostengünstig und zeiteffizient wie möglich überprüfen und optimieren zu können, muss allen Akteuren ein einfacher Zugang zu den digitalen Lösungen gewährleistet werden. Nur so lässt sich auch die Transparenz entlang der Wertschöpfungskette herstellen. Frau Sturm betont dabei, dass es wichtig ist, Endanwendungen möglichst nahtlos in Unternehmen eingliedern zu können. Damit ist z.B. gemeint, dass nicht immer extra Software heruntergeladen, installiert und geschult werden muss. Zudem kommt auch dem Teilen von Inhalten und Ergebnissen (eine Sharing-Funktion) mit Kolleg:innen aus anderen Abteilungen bei der Nutzung einer Endanwendung eine große Bedeutung zu. Frau Sturm stellt die Anwendung einer digitalen Lösung heraus:
„Wir glauben ganz fest daran, dass die einfache Anwendung ein Schlüsselfaktor zur digitalen Transformation ist und wir technische Know-How-Barrieren aus dem Weg räumen müssen. Unser Ansatz befähigt Projektentwickler erste Entwürfe in der Phase der Machbarkeitsstudie selbst herzustellen, ohne Architekten. Ein weiterer Aspekt ist aber auch das Ergebnis an sich.“
Das bedeutet, dass im Ergebnis Transparenz auch entstehen kann, wenn Häuser oder Gebäude von Anfang an mit BIM geplant werden. Um diesem Standard zu entsprechen, sollten sich die 3D-Dateien, die von einer Softwarelösung erzeugt werden, problemlos in verschiedene Formate exportieren und übergeben lassen. Dadurch ergeben sich weitere Erleichterungen, weiß Frau Sturm:
„Dieser einfache Umgang und Austausch von Dateien ist eine Befreiung für Projektentwickler:innen, denn dadurch sind sie nicht mehr so stark auf Feedback und Spezialwissen oder auch auf teure CAD-Programme angewiesen. Mit einer automatisierten Planung können sie sich dann selbst behelfen, mit einer einfachen Software-Umgebung, die auf einfachem Weg zum Beispiel eine erste Abschätzung zur Nachhaltigkeit der Grundrissplanung ermöglicht.“
Mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungskette ist also an verschiedene Aspekte geknüpft, sowohl auf Seite der Anwender:innen als auch auf technischer Seite. Damit digitale Lösungen dafür optimal eingesetzt werden können, sollte grundlegend über die Rolle der Digitalisierung nachgedacht werden.
Es ist kein Geheimnis, dass gerade die Baubranche zunehmend mit den Herausforderungen des Ausscheidens der Generation der Babyboomer, insbesondere auf Management- und Projektleitungsebene, konfrontiert wird. In diesem Zusammenhang kann es für Personen mit jahrzehntelanger Erfahrung in einem speziellen Arbeitsbereich durchaus anspruchsvoll sein, Digitalisierungpotenziale der eigenen Arbeit zu erkennen und entsprechende Anforderungen an digitale Lösungen für zukünftige Generationen zu formulieren. Darin sieht auch Frau Sturm eine große Herausforderung:
„Zu Beginn muss es erstmal gelingen, den Menschen die Definition von dem, was sie wann und wie und von wem benötigen, herauszukitzeln. Das ist mit einer der schwierigsten Punkte, die wir haben, also zu formulieren, was entlang der Wertschöpfungskette wann und wie gebraucht wird.“
Erst wenn diese Prozesse beschrieben wurden, lässt sich in einem weiteren Schritt herausarbeiten, wie diese sich automatisieren und digitalisieren lassen bzw. ob diese Prozesse überhaupt digitalisiert werden sollten. Dabei macht Frau Stum deutlich:
„Wir müssen realistisch bleiben: Ich denke heutzutage werden wir es nicht schaffen, die eierlegende Wollmilchsau zu programmieren. Aber wir müssen schauen, dass wir gut miteinander kommunizieren. Denn im Prinzip ist ja die Digitalisierung der Supporting Actor, mit der Aufgabe, die Kommunikation und die Informationslage zu verbessern und Prozesse zu steuern.“
Darauf aufbauend können Digitalisierungspotenziale entlang der Wertschöpfungskette erkannt werden, z.B. anhand der Frage: Was brauchen die Entscheidungsträger:innen in den verschiedenen Leistungsphasen, um eine transparente und möglichst vollständige Entscheidungsgrundlage zu bekommen? Dafür werden gut funktionierende, digitale, Prozesse benötigt, die idealerweise über offene Schnittstellen, sogenannte Application Programming Interfaces (kurz APIs), verfügen und die Vernetzung vereinfachen. In diesem Zusammenhang wirbt Frau Sturm für ein Grundverständnis für die Begriffe ‚Digitize‘ und ‚Digitalize‘:
Während der Begriff Digitization die Umwandlung von analogen Informationen wie Objekten oder Bildern in ein numerisches bzw. maschinenlesbares Format meint, beschreibt Digitalize einen Transformationsprozess, also z.B. die Weiterentwicklung von bestehenden Geschäftsmodellen und Prozessen unter Nutzung digitaler Technologien hin zu digitalen Geschäftsmodellen und Prozessen, welche analog überhaupt nicht möglich wären.
Mit diesem Grundverständnis lässt sich auch die Baubranche zukunftsfähig gestalten und Prozesse entlang der Wertschöpfungskette zielgenauer digitalisieren. Dabei können digitale Plattformen und die Plattformökonomie eine wichtige Rolle spielen.
Bislang ist die Softwarelandschaft von Unternehmen in der Bauindustrie von vielen, teilweise hochspezialisierten, Lösungen für kleinteilige Prozessschritte geprägt. Dabei können Informationssilos und Medienbrüche entstehen, die fehleranfälliger als eine automatische Vernetzung sind. Vor allem mit Blick auf eine wertschöpfungsübergreifende Vernetzung sollten in Zukunft einige Änderungen in Gang gebracht werden - offene Schnittstellen und eine kollaborative Denkweise wurden bereits erwähnt.
Für diese Änderungen sind wiederum einheitliche Standards entscheidend, denn eine Verbundlösung entlang der Wertschöpfungskette ist nur durch das Verwenden gleicher Datenstandards möglich.
Für Frau Sturm ist auch klar:
„Wir werden in Zukunft nicht an einem Materialkataster oder an Urban-Mining-Marktplätzen vorbeikommen. Wir brauchen gut strukturierte, genormte Datenbanken für Rohstoffe, die Produktion, für Baustellen und den Betrieb. Da müssen verschiedene Plattformen auch miteinander verknüpfbar und wirklich vernetzt sein. Dann können wir das Maximum an Möglichkeiten herausholen.“
Die Plattformökonomie bietet also das Potenzial, besser mit Kapazitäten und Ressourcen im Planen, Bauen und Betreiben zu haushalten und sorgsamer mit wertvollen Stoffen umzugehen. Durch Plattformen lässt sich z.B. eine Just-in-Time-Lieferung, also einer Lieferung gerade zur rechten Zeit, realisieren, in dem die Produktion von Fertigteilen mit dem Logistikprogramm von Spediteuren und idealerweise auch direkt mit Baustellen verbunden werden kann. Hier empfiehlt Frau Sturm sich an anderen Branchen wie der Logistikbranche zu orientieren:
„Ich weiß, dass die Baubranche extrem komplex ist, weil eben viele verschiedene Akteure an einem Projekt beteiligt sind. Aber seien wir mal ehrlich: Ist die Logistikbranche unkomplizierter oder weniger komplex? Auch dort hat man ja sehr viele Subunternehmer, die es trotzdem schaffen, das Paket innerhalb von 24 Stunden weltweit irgendwohin zu liefern, wenn es sein muss. Das kennt jeder privat, aber auch die global vernetzte Industrie mit ihren entsprechenden Lieferketten.“
Nicht zuletzt tragen Startups dazu bei, die wertschöpfungsübergreifende Vernetzung in der Baubranche voranzutreiben und die beschriebene Komplexität für Bauunternehmen zu minimieren.
Im Vergleich zu Softwarefirmen, deren Produkte schon über Jahrzehnte am Markt sind, haben Startups einen anderen Zugang zu Unternehmen der Bauindustrie. Frau Sturm beschreibt es so: „Ich glaube, mit den ganzen Tech-Startups, ob jetzt PropTech oder ConTech, haben wir inzwischen eine ganz andere Geschwindigkeit und ein ganz anderes Mindset“. Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation der Branche, sollte ein Umdenken stattfinden: Digitale Lösungen müssen individualisierbar und simpel gestaltet sein. Genau hier kann die Zusammenarbeit mit Startups die Möglichkeit bieten, bisher ungenutzte Potenziale zu heben. Startups in der Bauindustrie setzen auf für die Branche recht neue Technologien. Sie haben das Ziel, neue Kunden zu gewinnen, indem sie sich entsprechend auf einzelne Kundenbedürfnisse einlassen.
Wie diese Zusammenarbeit zwischen einem Bauunternehmen und einem Startup aussehen kann, lässt sich gut an einem Beispiel erläutern: ConTechs, die sich gezielt auf die Probleme von bauausführenden Unternehmen konzentrieren, kennen deren Bedarf an digitalen Lösungen und sind dabei meist spezialisierter als große Softwareunternehmen. So lassen sich in einem engen Austausch bspw. bestehende Probleme bei Nachträgen, die mit einem hohen Kosten- und Ressourcenaufwand bei unvollständigen Leistungsverzeichnissen (LVs) verbunden sind, lösen. Daher kommt Startups eine wichtige Rolle als Akteur entlang der Wertschöpfungskette zu: ihre digitalen Lösungen können zur beschriebenen Vernetzung beitragen, indem z.B. Ausschreibungen und Materialkosten zusammen betrachtet werden. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit zwischen Lösungsanbieter:innen und Bauunternehmen sollte also die Verknüpfung von Daten stehen. Für Frau Sturm ist dabei kooperative Zusammenarbeit enorm wichtig. Nur wenn alle Akteure vernetzt sind, können Prozesse so nachhaltig wie möglich gestaltet werden. Frau Sturm greift dafür das Beispiel der Leistungsverzeichnisse auf: Erst mit einem ordentlichen und vollständigen LV lassen sich Bauvorhaben auch so effizient und erfolgreich wie möglich ausschreiben. Und Startups, die dabei helfen, hierfür eine gemeinsamen Datengrundlage herzustellen, sind ein wichtiges Bindeglied in der Wertschöpfungskette.
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