Innovation

Neue Ansätze mit Robotik in der Bauindustrie - Thomas Bock

Eine robotisierte Baustelle die mehr Effizienz bringt und die Arbeit des Menschen erleichtert - Zukunftsvision oder heute schon umsetzbar?

Neue Ansätze mit Robotik in der Bauindustrie

Thomas Bock ist Professor für Baurealisierung und Baurobotik an der Technischen Universität München. Seit Jahren liegt sein Hauptaugenmerk darauf Inhalte zu Lehren, die es seinen Studenten ermöglicht am Bau auch wirklich etwas zu bewegen. Des Weiteren realisiert er Projekte, die den Bau automatisieren und durch Robotik effizienter werden lassen - Effizienz, sowohl in den Abläufen als auch in der Nachhaltigkeit, hin zu energieeffizienten Gebäuden.

Seine Expertise konnte Thomas Bock aus einen Studium der Architektur, Promotion in Baurobotik und einigen internationalen Station, darunter Japan, den USA und Frankreich gewinnen. Dabei folgte er stets dem Weg der Innovation und fand sich dort wieder, wo Technologie am fortschrittlichsten umgesetzt wurde. Thomas Bock war also bei den Anfängen der Robotik in der Bauindustrie hautnah dabei und klärt auf über die Entwicklungen, Hürden und Chancen dieser.

Wenn vor Jahrzehnten bereits der Grundstein für die Robotik gelegt wurde, wieso wurde diese dann bis heute im täglichen Schaffen kaum implementiert? Was ist passiert?

Bereits in den 60er Jahren, waren die Amerikaner schon sehr innovativ und hatten fortschrittliche Fertigteilfirmen, die automatisiert Sanitärzellen hergestellt haben. Das wurde im Jahr 1992  dann aber plötzlich aufgegeben. Der Grund dafür war, dass das North American Free Trade Agreement beschlossen wurde, wodurch günstigere Arbeitskraft aus Mexiko zur Verfügung standen. Auch in Europa, vor allem in Deutschland und Frankreich, gab es Firmen, die hochinnovativ waren. Aber auch dort passierte dasselbe wie in den USA, nachdem die Mauer fiel und günstigere Arbeitskräfte aus Ost - Südosteuropa ins Land gekommen waren. Zu dieser Zeit waren Löhne dann einfach erschwinglicher als teure Maschinen zu kaufen und zu entwickeln. Also haben viele Firmen tatsächlich ihre maschinentechnischen Abteilungen geschlossen, auch wenn sie bis dahin in diesem Bereich führend waren, samt Patenten und Lizenzen und das sogar weltweit. Dabei handelte es sich also eigentlich um tolle Technik mit viel Potenzial, was dann aber nicht weiterentwickelt und ausgeschöpft, sondern langsam zurückgefahren wurde.

Heute aber haben wir in Deutschland und vielen anderen Ländern ein wachsendes Problem. Die Baupreise explodieren, die Mieten steigen, die Qualität wird immer schlechter und Termine werden nicht eingehalten. Der Berliner Flughafen, die Elbphilharmonie oder Stuttgart 21, sind nur wenige anschauliche Beispiele dieser Problematik. Für mich ist es natürlich klar, das hängt damit zusammen, dass wir Technologien nicht weiterentwickelt haben. Bereits vor meiner Studienzeit habe ich bei einer Firma gejobbt, die die BMW-Zentrale in München gebaut hat und das in einem hochinnovativen Verfahren. Die Etagen wurden dabei ebenerdig vorgefertigt, installiert und dann hochgezogen. Also im Grunde, was die Japaner mit Robotern gemacht haben, nur haben wir es halt mechanisch gemacht. Man muss auch sagen, dass wir gute, innovative Firmen im Tiefbau haben. Wenn sie sich die Tunnel Fertigung anschauen, ist da fast keiner mehr im Tunnel vorzufinden, das ist nahezu vollautomatisiert. Auch in der Straßenfertigung und dem Brückenbau hat man einen sehr hohen Maschinensatz. Nur im Hochbau, da haben wir nicht so einen hohen Mechanisierungs- und Automatisierungsgrad und deswegen haben wir jetzt natürlich Probleme, wie Baustau und extrem hohe Mieten

Probleme in der Bauindustrie



Und Probleme wie Baustau, Kosten- und Terminüberschreitungen können durch Roboter gelöst werden?

Mit Arbeitskraft kann man die Produktivität nur begrenzt erhöhen und daraus resultiert das Bauen nicht mehr erschwinglich ist. Die ganzheitliche Nutzung von BIM, ist hier ein Schritt, zum mehr Effizienz, nur muss man das natürlich auch mit automatisierten Maschinen und Robotern verbinden, um den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Der Weg ist also in der Vorfertigung zu rationalisieren und dann zu automatisieren und auf der Baustelle durch die Robotik effizienter zu werden und das Bauen wieder erschwinglich werden zu lassen.

In Deutschland haben wir eine der niedrigsten Eigentumsquoten in Europa. Das muss nicht sein. Bereits in den 1990ern habe ich ein 80.000 DM Haus entwickelt. Das war ein Reihenhaus aus vorgefertigten Betonfertigteilen, eine langweilige Kiste, aber es war erschwinglich. Das Ganze konnte innerhalb von 8 Tagen vorgefertigt und in 8 Stunden montiert werden. Das heißt, man hat an einem Tag den Kran auf der Baustelle, der über Nacht zur nächsten Baustelle fährt. Da hatten wir zwar noch keine Roboter auf der Baustelle, aber automatisierte Vorfertigung. Leider wurden so nur 3.000-5.000 Häuser errichtet. Hätten wir aber in den 90er Jahre auf diese Art viel mehr gebaut, dann hätten wir jetzt einen deutlich höheren Eigentumsanteil in Deutschland und die Leute wären nicht so hoch verschuldet. Auch habe ich ein multifunktionales Fertigungssystem entwickelt, mit dem Betonwände, -decken und -dächer gefertigt wurden, ohne dass man je Element, unterschiedliche Fertigungsstraßen brauchte. So konnte aufgrund von Robotik, die Fertigung flexibilisiert auf einer Anlage, ein flexibles Fertigungssystem, eingerichtet werden.

Ich habe auch nicht gedacht das es so extrem kommt mit den Baupreisen, Terminüberziehungen und Kostenüberschreitungen, aber jetzt ist der Zusammenhang offensichtlich. Bei den ersten Autos war es ähnlich, die waren zu Beginn noch unerschwinglich. Mittlerweile ist das Fahrzeug aber für fast jeden zu finanzieren und es gibt viele Modelle, wie Carsharing die den Zugriff vereinfachen. Jeder kann sich ein Auto kaufen oder mieten. Beim Wohnen ist es aber gerade andersrum und das muss nicht sein.

Nun haben wir uns ja viel über Vorfertigung und Neubau unterhalten, welche Möglichkeiten gibt es in der Sanierung?

In der Sanierung ist effizientes Schaffen eigentlich noch viel wichtiger. Denn wir haben ja nur circa 2% an Neubau pro Jahr und circa 98% an Bestand. In den letzten Jahren haben wir verstärkt Roboter entwickelt, die vor allem Fassade sanieren, mit dem Fokus auf eine erhöhte Energieeffizienz. In der Sanierung ist es sehr schwierig, weil der Mechanisierungsgrad deutlich geringer ist. Es ist ja fast alles Handarbeit und dadurch oft teurer als ein Neubau. Hier ist also eigentlich ein größerer Bedarf an Mechanisierung oder Robotisierung. Man braucht kleine kompakte Roboter, die circa 15.000 EUR kosten werden und im Innenbereich einzusetzen sind. Davon gibt es auch bereits hunderte auf dem Markt. Wir haben unter anderem Sanierungsroboter entwickelt, die Fassaden und den Innenraum streichen, Fliesen verlegen oder auch die Unterdecken montieren. Oder auch einen Innenausbau-Roboter, mit Fahrenheit, der Standard Treppen hoch und durch Standardtüren durchkommt, der eine Vielzahl an Aufgaben übernimmt. Das heißt der ganze Innenausbau kann im Grunde mithilfe von Roboter vonstattengehen, samt Logistik. Solche Systeme müssen mehr und mehr entwickelt werden.

Wir waren auch in ein System für die Asbestsanierung involviert. Da ist es natürlich sehr lohnend, um die Gesundheit der Arbeiter zu schützen. Es ist bereits viel in der Robotik möglich, man braucht nur den richtigen Ansatz. Viele machen den Fehler und nehmen Industrieroboter, man muss für das Bauwesen aber spezielle Kinematiken entwickeln und datentechnisch vernetzen. Daten und Produkte, sprich Roboter, müssen effizient verbunden werden und erst dann kommen die Vorteile in die Wirksamkeit. Erst wenn ich das dann wirklich verbunden habe und mit einer vernetzten Hardware umsetzen kann, spürt man den Vorteil in Kosten- und Terminsicherheit.

Robotik in Umsetzung
Quelle: Thomas Bock (links: Vorfertigungs Roboter 888 Haus, rechts: Innenausbau Roboter)

Wie können wir der Robotik im Baugewerbe auf die Sprünge helfen?

Im Grunde braucht man neue Standards. Gebäude und Sanierungsabläufe müssen neu  entwickelt oder umgedacht werden. Man muss Abläufe und das Management verändern und das muss alles schon am Anfang zusammen gedacht werden. Wenn ich jetzt versuche den Roboter auf einer konventionellen Baustelle zu nutzen, dann fällt das sehr schwer. Denn die Abläufe sind für den Menschen entwickelt und dann sind Roboter oft nicht effizient. Also muss man schon die Abläufe verändern und diese Roboter gerecht machen. Robot Oriented Design, nennt man das und dafür braucht man auch Construction Management. Der Baubetrieb, die Bauausführung und das Projektmanagement muss an die Maschine angepasst werden und das führt zu Effizienz. Der Mensch verschwindet also nicht völlig, sondern steuert, überwacht, koordiniert und greift ein, wenn irgendwas nicht richtig funktioniert.

Es gibt also verschiedene Ansätze in der Robotik, so wie es auch die unterschiedlichsten Prozesse auf Baustellen gibt. Von Vorfertigung und dem Errichten von kompletten Neubauten über Sanierungstätigkeiten. Welche Aufgaben können Roboter also übernehmen?

Alle Aufgaben - in der Sanierung und auch im Neubau. Im Neubau ist es einfacher, in der Sanierung muss man gewisse Dinge dann etwas anders machen, um den Weg für Roboter zu ebnen. Abläufe also ein bisschen verändern, sodass man dann auch das Gerät einsetzen kann. Dann braucht man wahrscheinlich auch ganz anders ausgebildete Bauarbeiter. Was dann auch sehr attraktiv werden könnte für junge Leute, die ja heute nicht so gern auf dem Bau arbeiten. Wenn man dann aber einen Roboter programmieren kann, denk ich wird dieser Berufsweg auch wieder attraktiv. Wir brauchen hoch qualifizierte und  gut ausgebildete Leute, die voll in die Technologien einsteigen und kleine kompakte System entwickeln für kleinere Firmen. Größere Firmen können Robotik dann auch in einem größeren Spektrum umsetzen. Und wie gesagt die Roboter müssen mit den Abläufen entsprechend entwickelt und angepasst werden. Das haben ja früher die großen Baumeister auch gemacht, die Kathedralen, die wir heute noch bewundern. Die kannten die Mathematik ihrer Zeit, die Religion, die wussten genau aus welchem Steinbruch sie die Steine holen und so etwas fehlt im Augenblick. Dabei ist es eigentlich jetzt leichter als früher. Dafür dass wir so viel Technik zur Verfügung haben, haben wir eigentlich gar nicht so tolle Sachen gebaut. Deshalb muss sich etwas ändern.

Robotik in Umsetzung
Quelle: Thomas Bock (links: Fassaden Roboter, rechts: Vorfertigungs Roboter 888 Haus)

Was ist ihre Vision für die Robotik in der Bauindustrie und was kann umgesetzt werden?

Das hängt davon ab, was die Gesellschaft will. Wir müssen den Ansatz ändern, die Universitäten brauchen neue Studiengänge und die Arbeiter müssen anders ausgebildet werden. Natürlich ist meine Vision schon, dass es kommt, dass wir Robotik vorantreiben, denn ansonsten sehe ich bestehende Probleme weiterhin wachsen und soziale Spannungen entstehen. Es ist machbar, es ist auch finanzierbar und wir können den Problemen entgegenwirken. Meine Vision ist, dass wir erschwinglich bauen, dass dadurch die Eigentumsquote steigt, dass Löhne in der Bauindustrie fair sind, das wir im Alter mietfrei wohnen können und dass wir altersgerechte Wohnungen, sowie Katastrophen gerechte Gebäude haben und das alles energieeffizient wird. Es braucht halt nur die Entscheidung dazu etwas zu ändern. Das Geld ist ja eigentlich da, wir haben die Chance viel umzusetzen. Wir brauchen aber eine neue Grundlage und neue Standards müssen geschaffen werden. Es ist alles machbar und deswegen ist meine persönliche Vision schon die, dass wir eine ganze Kategorie haben von kompakten und tragbaren Robotern, die sich kleine Firmen leisten können bis hin zu vollautomatischen Systemen, für größere Firmen und das lässt sich alles verbinden.



Veröffentlicht von

Franziska Schmudezki

25.3.2022

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